EU-Parlament beschließt Lieferkettengesetz

Von: Thomas Becker

Nach zähen Verhandlungen war es am 24. April 2024 endlich soweit: Das Europäische Parlament verabschiedete das EU-Lieferkettengesetz. 374 Abgeordnete stimmten für das Gesetz, 235 dagegen und 19 enthielten sich. Das neue Gesetz soll Unternehmen künftig stärker in die Pflicht nehmen, damit grundlegende Menschenrechte und Umweltstandards entlang globaler Lieferketten eingehalten werden.

Unternehmen in der Pflicht

Betroffen von dem Gesetz sind in erster Linie große Unternehmen mit mehr als 1.000 Mitarbeitern, die Produkte in die EU importieren. Diese Firmen müssen ab 2025 sicherstellen, dass es auch bei ihren unmittelbaren Zulieferern nicht zu Menschenrechtsverletzungen oder Umweltverstößen kommt. Ab 2028 dehnt sich diese Sorgfaltspflicht auch auf die gesamte Lieferkette aus, also auch auf mittelbare Zulieferer.

Tun die Unternehmen nichts oder zu wenig, um ihre Lieferketten zu überprüfen, drohen ihnen Geldstrafen von bis zu vier Prozent des Jahresumsatzes. Zudem erhalten Betroffene die Möglichkeit, vor europäischen Gerichten Schadenersatz einzuklagen. Unter gewissen Umständen haften die Firmen auch für ihre Tochterunternehmen und Zulieferer.

Abschwächung des Lieferkettengesetzes in den Verhandlungen

Im Laufe der Verhandlungen wurde das Lieferkettengesetz deutlich abgeschwächt, indem die betroffenen Unternehmen zunächst eingeschränkt und die Fristen verlängert wurden. So sah der ursprüngliche Kompromiss zwischen EU-Staaten und Europaparlament vor, dass Unternehmen ab 500 Beschäftigten und 150 Millionen Euro Umsatz betroffen sein sollten. Das nun angenommene Gesetz nimmt erst Firmen ab 1.000 Mitarbeitern und 450 Millionen Euro Umsatz in die Pflicht, zudem ist eine Übergangsfrist von fünf Jahren vorgesehen. Auch die Möglichkeit einer zivilrechtlichen Haftung wurde abgeschwächt.

In den ersten drei Jahren gelten die Vorgaben nur für Unternehmen mit über 5.000 Angestellten und mehr als 1,5 Milliarden Euro Umsatz. Danach sinken die Schwellen auf 4.000 Beschäftigte und 900 Millionen Euro Umsatz.

Europäisches Lieferkettengesetz vs. Deutsches Lieferkettengesetz

Viele deutsche Firmen stellen sich nun die Frage: Welches Gesetz gilt für mein Unternehmen? Denn in Deutschland existiert bereits seit Anfang 2023 ein nationales Lieferkettengesetz. Dieses ist strenger als die neue EU-Regelung, da es keine Umsatzgrenze voraussetzt. Somit sind vom Europäischen Lieferkettengesetz weniger Unternehmen betroffen und Deutschland muss sein Gesetz an die EU-Vorgaben anpassen.

Unterschiede gibt es auch beim Geltungsbereich: Nach EU-Recht müssen Unternehmen ihre gesamte Lieferkette auf Menschenrechts- und Umweltverstöße prüfen, also nicht nur direkte Zulieferer, sondern auch deren Vorlieferanten und weitere Glieder der Kette. Die Kontrolle soll risikobasiert erfolgen.

Zusätzlich wurde die zivilrechtliche Haftung ausgeweitet. Geschädigte können auf Basis des deutschen Schadenersatzrechts klagen, nicht mehr nur nach dem Recht des Landes, in dem der Verstoß begangen wurde. Allerdings haften Unternehmen nur, wenn sie ihre Kontrollpflichten vorsätzlich oder fahrlässig vernachlässigt haben. Auch Gewerkschaften und Nichtregierungsorganisationen dürfen im Auftrag Betroffener klagen.

Lob von Menschenrechtsgruppen, Kritik vom Wirtschaftsverband

Umweltverbände und Menschenrechtsorganisationen haben den Beschluss des EU-Lieferkettengesetzes ausdrücklich begrüßt. Sie sehen darin einen wichtigen Schritt, um Ausbeutung und Umweltzerstörung durch europäische Unternehmen in anderen Ländern einzudämmen.

Kritiker bemängeln hingegen, dass das EU-Lieferkettengesetz nicht weit genug geht. So forderten einige Organisationen noch schärfere Haftungsregeln und höhere Strafen. Zudem gilt die neue Sorgfaltspflicht zunächst nur für sehr große Unternehmen, kleinere mittelständische Betriebe sind davon ausgenommen. Auch Wirtschaftsverbände übten Kritik: "Auch leicht abgespeckt bleibt die EU-Lieferkettenrichtlinie wenig praxistauglich und wird viel Bürokratie mit sich bringen", so Peter Adrian, Präsident der Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK).1

Endgültige Verabschiedung der EU-Staaten gilt als Formsache

Die 27 EU-Staaten müssen dem Vorhaben zwar noch offiziell zustimmen, dies gilt aber als Formsache. Danach haben die nationalen Regierungen zwei Jahre Zeit, um die neuen EU-Vorgaben umzusetzen. Erst nach dieser Umsetzungsphase werden die Regeln für Unternehmen verpflichtend.

Insgesamt stellt das EU-Lieferkettengesetz aber schon jetzt einen bedeutenden Schritt für mehr Unternehmensverantwortung dar. Es bleibt zu hoffen, dass die Gesetzesvorgaben tatsächlich zu spürbaren Verbesserungen bei Menschenrechten und Umweltschutz in globalen Lieferketten führen werden. Sollten die Regeln nicht den gewünschten Effekt haben, könnte die EU auch noch nachjustieren und Nachbesserungen am Gesetz vornehmen. Auf jeden Fall hat das Europäische Parlament mit dem Beschluss des Lieferkettengesetzes ein deutliches Zeichen für mehr Unternehmensverantwortung gesetzt.

Nächste Schritte:

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1 EU-Parlament beschließt Lieferkettengesetz, zdf.de, 24.04.2024

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